Die deutschen U-Boot-Bunker


Einer der vielen militärischen Vorteile, die Deutschland im Juni 1940 durch die Kapitulation der Niederlande und den Sieg über Frankreich errang, war die Übernahme von militärischen Stützpunkten in Westeuropa. Dönitz hatte nun die Möglichkeit über die Häfen an der französischen Atlantiküste, von Brest im Norden bis Bordeaux im Süden, zu verfügen. Dadurch verkürzte sich der Weg zu den Schlachfeldern im Atlantik für die U-Boote um mehrere hunhert Seemeilen. Sie konnten so nun bis zu zehn Tage länger auf ihren Posten verbleiben, als wenn sie von deutschen Häfen ausgelaufen wären. Außerdem zwangen sie die Handelsschiffe, die aus dem Osten nach England kamen, die Häfen an der Südküste in Portsmouth, Plymouth und Southampton zu meiden und statt dessen die lange nordwestliche Route durch den Bristol- und St. Georges-Channel nach Liverpool und Glasgow zu wählen.

Dönitz war sich darüber im klaren, dass die Liegeplätze für seine U-Boote vor der RAF geschützt werden mußten. Er konnte Hitler von dieser Notwendigkeit überzeugen. Er wurde an Dr. Fritz Todt weitergeleitet, der diese Aufgabe sofort in Angriff nahm. Die Organisation Todt (OT) setzte sich aus deutschen Ingenieuren und Bauexperten zusammen. Mit Hilfe von zwangsverpflichteten und freiwilligen französischen Ingenieuren und Arbeitern begann der Bau in einem kleinen Fischerhafen in der Nähe von Lorient, der anfangs nur als eine U-Boot-Station zum Nachladen der Waffen, Auftanken und für Versorgung mit Lebensmitteln gedacht war. Die Flottillenstützpunkte und ihre Verwaltungen blieben jedoch in Deutschland. Als die Organisation Todt ihr Werk vollendet hatte, war Lorient voll funktionstüchtig mit 19 Bunkern, die durch Kanäle mit dem Meer verbunden waren. Sie waren massiv geschützt und mit allen nötigen Einrichtungen wie Tankstellen, Trockendocks, Werstätten und Unterkünften versehen. Zur Verteidigung des Stützpunktes gab es Flakbatterien. Für die U-Boot-Waffe war Lorient ein wichtiger Stützpunkt mit einem erstklassigen Hafen. Hier war die Basis der 2. U-Flottille und der 10. U-Flottille, die sich aus je 25 U-Booten zusammensetzte. Die meisten von ihnen gehörten zu den Booten vom Typ IX C mit großer Reichweite. Während sich der OT-Bautrupp stetig an der Küste entlangarbeitete und einen Bunker nach dem anderen errichtete, folgten ihnen sofort nach deren Fertigstellung Flottillen aus Typ VII C Booten, die eine Stärke von 25 Booten hatten. Die 3. U-Flottille ließ sich in La Pallice nieder, und später wurden die 1. U-Flottille und die 9. U-Flottille in Brest und die 6. U-Flottille und 7. U-Flottille in St. Nazaire stationiert. Bordeaux wurde zum Heimathafen für die 12. U-Flottille, dazu kam eine Ansammlung von Minenlegern, Tankschiffen und eine U-Boot-Flottille der italienischen Marine mit 23 Einheiten.


  U 515 verläßt den U-Boot-Bunker von Lorient


Überall überragten die massiven Betonbauten alle anderen Gebäude der Häfen. Vom Flugzeug aus konnte selten ein U-Boot gesehen werden, sondern nur die flachen, getarnten Dächer der Bunker, in denen sie versteckt waren, während sie versorgt und repariert wurden.

Eigentlich hätten die RAF-Bomber die Bunker schon in der Bauphase angreifen müssen, aber in diesem entscheidenden Moment und trotz Churchills Appell im britischen Unterhaus, dass "Frankreich von einem starken Bündnispartner zu einem Feind geworden war", waren die Oberkommandierenden vom Außenministerium überzeugt worden, dass die Bomber nicht die Bevölkerung und das Land des besiegten Frankreichs überfallen könnten. Auch wenn viele Franzosen die feige Haltung der Regierung in Vichy befürworteten, waren die meisten Bürger anderer Meinung. Aber es wurden keine Angriffsversuche unternommen, bis es zu spät war.

Endlich kam es wie es kommen mußte, und London räumte alle Bedenken beiseite. In den Jahren 1942 und 1943 griffen die Briten die Stützpunktee in der Bretagne, Brest, Lorient und St. Nazaire an. Das Ergebnis war enttäuschend. Die schweren RAF-Bomber flogen wegen ihrer dürftigen Bewaffnung Nachtangriffe und waren wegen untauglicher Bombenzielgeräte zu Flächenbombardements gezwungen. Sie legten viele Grundstücke in Lorient und St. Nazaire in Schutt und Asche, aber trafen dabei selten eine Bunker, und wenn sie es taten, dann war dessen Oberfläche kaum angekratzt. Die "Fliegenden Festungen" und "Liberators" der 8. US-Armee, die in England stationiert waren, bombadierten die Bunker etwas genauer. Aber ihre 2000 Pfund Bomben prallten blß von den Betondächern und Betonwänden ab. Die Bomben, die der RAF und der USAAF zur Verfügung standen, waren nicht darauf ausgelegt, den viereinhalb bis sechs Meter dicken Betonpanzer zu durchdringen, aus dem die Bunker gebaut worden waren.

Brest, Lorient und Bordeaux waren Naturhäfen. Im Gegensatz dazu brauchten St. Nazaire und La Pallice Schleusentore, um den Wasserstand konstant zu halten. Aber selbst die wurden erst im Sommer 1943 von der 8. US-Air Force jeweils nur einmal bombardiert. Bordeaux wurde nie ernasthaft angegriffen. Erst 1944 war die RAF soweit, aus drei Bomben von je 4000 Pfund eine einzige sogenannte "Tallboy"-Bombe zu konstruieren, die den Stahlbetonpanzer der Bunker erstmalig beschädigen konnte.


  Der U-Boot-Bunker "Keroman" in Lorient
  unter einem alliierten Luftangriff
  am 26.11.1942


Über seine Angriffe im Frühjahr 1943 schrieb Marschall Harris: "Das Beste, was wir uns erhoffen konnten, war eine generelle Zerstörung um die Bunker herum und in der Stadt anzurichten ... wir konnten allenfalls den U-Boot-Besatzungen an Land eine unruhige Nacht bereiten, wenn sie dumm genug waren, sich in diesem Gebiet aufzuhalten. Natürlich taten sie uns diesen Gefallen nicht. Das Marineministerium hat vielleicht angenommen, dass das einen lohnenden Einfluß auf die Schlacht im Atalntik ausüben könnte ... Bevor wir damit begannen, protestierte ich wiederholt gegen diesen nutzlosen Mißbrauch der Luftstreitkräfte ... Die einzige Wirkung war, dass sich die Eröffnung der Schlacht an der Ruhr und der Bombenkrieg gegen Deutschland um zwei Monate verschoben."

Die Stützpunkte in der Biskaya wurden von den Kampfflugzeugen der Luftwaffe und 88-mm Flakgeschützen gut verteidigt. Im Verlauf der Angriffe wurden mehr als einhundert Flugzeuge abgeschossen, mehr als die Hälfte davon waren USAAF Bomber.

Genau wie Marschall Harris, hegte auch General Spaatz seiner Zweifel gegen diese Einsätze. Im Oktober 1942 schrieb er an seinen Vorgesetzten, General Arnold in Washington: "Es ist nicht sicher, ob sich diese Operationen im Vergleich zu den erzielten Resultaten als zu kostspilig erweisen. Die U-Boot-Bunker aus Beton sind harte Nüsse, die vielleicht nicht zu knacken sind." Er akzeptierte aber, dass "die Bombardierung der Einrichtungen auf den Geländen die effektive Nutzung der Stützpunkte ernsthaft behindern könnte". Daher schickte er zwischen Oktober 1942 und April 1943 die bomber der 8. Air Force auf elf Missionen zu den Stützpunkten in der Bretagne, als er und auch Merschall Harris entsprechende Anweisungen erhielten.

In der Zwischenzeit waren mehr als 600 Franzosen von den Bombern getötet worden. Ihr Tod wurde in London und washington bedauert. Patriotische Franzosen, die meist Mitglieder der Résistance und des Maquis waren, vergossen nur wenige Tränen für die verstorbenen Landsleute, die willig für die Deutschen in den Häfen gearbeitet hatten.

Mitte 1943 lagen die Straßen von St. Nazaire und Lorient voller Trümmer. Sowohl der Handel als auch der Verkehr waren zu Erliegen gekommen. Die Wohnhäuser waren ausgebombt. Die Hochseefischerboote waren an Land gezogen und vertäut, weil die Fischer weder Treibstoff noch den Mut hatten, sich auf die verminte See hinauszuwagen. Alle Schulen waren geschlossen und die Kinder ins Innere des Landes verschickt worden. Wie sie, waren auch die U-Boot-Besatzungen für die Dauer ihrer Erholungszeiten aus der Stadt gebracht worden.


  Die U-Boot-Bunker von Brest
  im Jahre 1945


Als die "glückliche Zeit" vorüber war, die Flugzeuge der Alliierten den Himmel über Europa überschwemmten und den Zugang zur französischen Atlantikküste beherrschten, war die Passage der U-Boote von und zu ihren Stützpunkten voller Gefahren. Die Boote waren ständig zum Tauchen gezwungen, wenn sie Angriffen ausweichen wollten, und sie wurden von Trawlern und Begleitbooten durch die Minenfelder gelotst, die von den alliierten regelmäßig nachgelegt wurden. Wenn sie die Häfen anliefen, waren ihre Decks unter Wasser und die Tauchzellen waren geflutet, damit sie im Falle eines Alarms jederzeit sofort schnellstmöglich Tauchen konnten. In flachem Wasser waren die gezwungen die Maschinen zu stoppen und sich zwischen Sardinenfischerbooten zu verstecken, bis die RAF abgezogen war. Erst wenn die Boote ihre schützenden Bunker erreicht hatten, waren die von den Bombern sicher. Dort bot sich ihnen immer noch ein beruhigenderes Bild. Eine ansehnliche Reihe von U-Booten lag wie in einem stillen Mühlenteich und bot einen eigenartigen Kontrast zu den zerborstenen Häusern der Hafenstadt. Andere Boote lagen im Trockendock, während einheimische Hafenarbeiter an den Rümpfen arbeiteten. Wenn die Besatzungen von Bord gingen, hörten sie die Gräusche des organisierten Treibens, rochen den vertrauten Geruch von Meersalz, Öl und Farbe. Die Wände, von denen Kondenswasser herabtropfte, ragten um sie herum empor und reflektierten kalt das Licht der Schweißbrenner. Die fuhren an Kränen, Ladebäumen und Behältern für Batteriesäure vorbei. Geschäftige Arbeitsgruppen und Männer in Uniform salutierten ihren Kommandanten. Sie hätten genausogut in Hamburg, Kiel oder Wilhelmshaven sein können.




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